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Sri Aurobindo

Briefe über den Yoga

Band 1

WIEDERGEBURT

Jedes Mal wenn die Seele in eine Geburt eintritt, wird ein Mental, Leben und Körper aus den Substanzen der universalen Natur geformt, die der vergangenen Evolution der Seele sowie ihrem Erfordernis für die Zukunft entsprechen.

Sobald der Körper sich auflöst, wandert das Vital zur vitalen Ebene, um dort eine Zeitlang zu bleiben, dann fällt die vitale Hülle ab. Schließlich zieht sich die Seele oder das seelische Wesen in die seelische Welt zurück, um dort zu ruhen, bis eine neue Geburt naht.

Das ist der allgemeine Verlauf für ein normal entwickeltes menschliches Wesen. Es gibt jedoch Abweichungen, die der individuellen Natur und ihrer Entwicklungsstufe entsprechen. So kann zum Beispiel das mentale Wesen, wenn das Mental stark entwickelt ist, [bei der Seele] bleiben und ebenso das Vital, vorausgesetzt sie sind um das wahre seelische Wesen geordnet und um dieses zentriert – sie teilen dann die Unsterblichkeit der Seele.

Die Seele sammelt die essentiellen Elemente ihrer Erfahrungen im Leben und macht sie zur Grundlage ihres Wachsens in der Evolution; sobald sie in das Leben zurückkehrt, nimmt sie mit ihren mentalen, vitalen und physischen Hüllen so viel karma auf, wie sie im neuen Leben zur weiteren Erfahrung braucht.

Es ist eigentlich der vitale Teil des Wesens, für den sraddha und Riten abgehalten werden, und dies geschieht, um dem Wesen zu helfen, sich von den vitalen Schwingungen zu befreien, die es noch an die Erde oder die vitalen Welten binden, so dass es rasch zu seiner Ruhe im seelischen Frieden gelangen kann.

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Was ich sagte, bezog sich lediglich auf die Zeremonien – auf die Riten. Ich meinte nicht, Kastenangehörige oder Brahmanen zu speisen, was weder ein Ritus noch eine Zeremonie ist. Ob śrāddha, so wie es abgehalten wird, tatsächlich wirksam ist, ist eine andere Frage, denn diejenigen, die es abhalten, haben weder Wissen noch okkulte Macht.

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Die Seele, nachdem sie den Körper verlassen und bestimmte Erfahrungen in anderen Welten gesammelt hat, wirft ihre vitalen und mentalen Persönlichkeiten ab und tritt in einen Ruhezustand ein, um die Essenz ihrer Vergangenheit zu assimilieren und sich für ein neues Leben vorzubereiten. Diese Vorbereitung bestimmt die Umstände der neuen Geburt und leitet die Seele bei ihrer Wiederherstellung einer neuen Persönlichkeit und der Wahl ihrer Substanzen.

Die abgeschiedene Seele bewahrt die Erinnerung ihrer vergangenen Erfahrungen nur in der Essenz, nicht aber in Form von Einzelheiten. Nur wenn die Seele eine vergangene Persönlichkeit oder verschiedene vergangene Persönlichkeiten zurückbringt und als einen Teil in ihre gegenwärtige Manifestation mit einbezieht, ist es wahrscheinlich, dass man sich der Einzelheiten des vergangenen Lebens erinnert. Andernfalls kann man allein durch yogadṛṣṭi [die yogische Schau] zu einer Erinnerung kommen.

Der kāraṇa-puruṣa ist das, was von uns das zentrale Wesen genannt wird, der jīva. Er steht über dem Spiel und erhält es immer aufrecht.

Es kann scheinbar rückläufige Bewegungen geben, doch sind dies nur Zick-Zack-Bewegungen, kein wirkliches Zurückfallen; es ist eine Rückkehr zu etwas, das noch nicht verarbeitet ist, damit man dann umso leichter vorwärtsschreiten kann. Nicht die Seele ist es, die zum Tierzustand zurückkehrt, es ist vielmehr ein Teil der vitalen Persönlichkeit, der sich ablösen und in eine Tiergeburt eintreten kann, um dort seine Tierneigungen auszuarbeiten.

An dem allgemeinen Glauben, dass ein habgieriger Mensch zu einer Schlange wird, ist nichts Wahres. Das ist volkstümlich romantischer Aberglaube.

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Die Seele durchwandert nach dem Verlassen des Körpers verschiedene Zustände oder Ebenen, bis das seelische Wesen seine zeitweiligen Hüllen abgeworfen hat; darauf erreicht sie die seelische Welt, wo sie in einer Art Schlaf ruht, bis sie für die Wiedergeburt bereit ist. Das, was sie von der menschlichen Erfahrung bewahrt, ist letzten Endes nichts als die Essenz all dessen, was sie erlebte und für ihre Entwicklung braucht. Dies ist die allgemeine Regel, die aber nicht für Ausnahmefälle oder für sehr entwickelte Wesen gilt, die ein größeres Bewusstsein als das der gewöhnlichen menschlichen Ebene erreicht haben.

Nicht die Seele nimmt eine geringere Form an, sondern ein Teil des manifestierten Wesens, meist ein Teil des Vitals, und zwar aufgrund eines Begehrens, einer gegenseitigen Anziehung oder dem Erfordernis einer bestimmten Erfahrung. So etwas widerfährt durchschnittlichen Menschen ziemlich häufig.

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Beim Tod verläßt das Wesen den Körper durch den Kopf; es tritt in den feinstofflichen Körper ein und begibt sich für kurze Zeit zu verschiedenen Daseinsebenen, um bestimmte Erfahrungen zu durchlaufen, die das Ergebnis seines Erdendaseins sind. Dann erreicht es die seelische Welt, wo es in einer Art Schlaf ruht, bis es Zeit ist, ein neues Leben auf Erden zu beginnen. Das ist der gewöhnliche Ablauf, den jedoch entwickeltere Wesen nicht einzuhalten brauchen.

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Die Seele begibt sich nach dem Tod des Körpers in einen feinstofflichen Leib.

Erinnerungen währen nur kurze Zeit, nicht bis zur Wiedergeburt – andernfalls wären sie so deutlich ausgeprägt, dass das Erinnern vergangener Leben, selbst in einem neuen Körper, eher die Regel und nicht die Ausnahme wäre.

Du sagst “menschliche Beziehungen in einem Leben bestünden im darauffolgenden Leben fort, und die Aussichten hierfür hingen von der Intensität der Bindung ab”. Das mag stimmen, es ist jedoch kein Gesetz – in der Regel wird die gleiche Beziehung nicht ständig wiederholt. Oft treffen sich die gleichen Menschen in verschiedenen Leben immer wieder auf Erden, ihr Verhältnis zueinander ist jedoch ein anderes. Dem Zweck der Wiedergeburt wäre nicht gedient, wenn sich die gleiche Persönlichkeit mit den gleichen Beziehungen und Erfahrungen unaufhörlich wiederholen würde.

Es stimmt nicht, dass nach dem Tod eine vollständige Auflösung des Egos in Lebensformen, die niedriger als die des Menschen sind, stattfindet.

Gemeint war, dass das seelische Wesen – nicht das Ego sich in einem statischen Zustand vollkommener Ruhe befindet, und zwar nachdem es seine vitalen und anderen Hüllen abgestreift hat und in der seelischen Welt ruht. Vorher durchwandert es auf seinem Weg zur seelischen Ebene die vitalen und andere Welten.

Es ist möglich, mit den Verstorbenen, solange sie der Erde noch genügend nahe sind, in direkten Kontakt zu kommen – Menschen mit okkulter Erfahrung nehmen an, dass dies etwa drei Jahre lang der Fall ist – oder wenn sie an die Erde gebunden sind oder zu jenen gehören, die nicht zur seelischen Ebene fortschreiten, sondern der Erde nahe bleiben, um bald wiedergeboren zu werden.

Allgemeine Äußerungen können über diese Dinge nicht ohne weiteres gemacht werden – es gibt zwar eine allgemeine Richtlinie, doch die einzelnen Fälle unterscheiden sich in fast unbegrenztem Ausmaß.

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Nach dem Tode durchwandert man die vitale Welt und lebt dort eine gewisse Zeit. Nur der erste Teil dieses Durchgangs ist möglicherweise gefährlich oder schmerzhaft; im übrigen Teil arbeitet man in einer bestimmten Umgebung die Reste vitaler Wünsche und Instinkte des Körpers aus. Sobald man ihrer überdrüssig und fähig ist weiterzugehen, wird die vitale Hülle abgestreift und die Seele tritt nach einer bestimmten Zeit, die nötig ist, sich von einigen mentalen Überresten zu befreien, in einen Zustand der Ruhe in der seelischen Welt ein, wo sie bis zum nächsten Erdenleben bleibt.

Man kann der dahingegangenen Seele durch seinen guten Willen helfen oder durch okkulte Mittel, sofern man über das Wissen verfügt. Das einzige, was man nicht tun sollte, ist, sie durch Kummer oder Sehnsucht zurückzuhalten oder durch irgendetwas, das sie näher an die Erde ziehen oder die Reise zu ihrem Ruheort verzögern würde.

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Es kann vorkommen, für kurze Zeit nicht zu begreifen, dass man tot ist, besonders wenn es ein unvorhergesehener und plötzlicher Tod war; man kann aber nicht sagen, dass dies für alle oder die meisten zutrifft. Einige mögen in ein Stadium von halber Unbewusstheit eintreten oder von einem dunklen inneren Zustand besessen sein, der durch ihre mentale Verfassung beim Tod geschaffen wurde und in dem sie nicht erkennen, wo sie sich befinden usw.; andere aber sind sich dieses Durchgangs voll bewusst. Es stimmt, dass das vitale Wesen eine Zeitlang nahe dem [physischen] Körper oder Lebensschauplatz weilt, meist acht Tage lang; in den alten Religionen wurden mantras und andere Mittel für die Ablösung angewendet. Selbst nach der Ablösung vom Körper kann eine sehr erdgebundene Natur oder eine mit starken physischen Wünschen noch lange Zeit in der Erdatmosphäre weilen – bis zu einer Zeitdauer von drei Jahren. Dann durchwandert sie, ihre Reise fortsetzend, die vitalen Welten und gelangt früher oder später bei ihrem seelischen Ruheort bis zum nächsten Leben an. Es stimmt durchaus, dass Kummer und Trauer um die Toten ihr Fortschreiten behindern, da sie hierdurch an die Erdatmosphäre gebunden und vom Weiterwandern abgehalten werden.

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Der normale Verlauf ist, dass das seelische Wesen die äußeren Hüllen auf seinem Weg zur seelischen Ebene abstreift. Es gibt aber jede Menge von Abweichungen; man kann von der vitalen Ebene zurückkehren und es gibt viele Fälle einer nahezu unmittelbar darauffolgenden [Wieder-] Geburt, die zuweilen sogar von einer fast vollständigen Erinnerung an die Ereignisse des vergangenen Lebens begleitet ist.

Hölle und Himmel sind meist Phantasiegebilde der Seele oder vielmehr des Vitals, die es nach seinem Abscheiden um sich aufbaut. Mit Hölle ist ein schmerzhafter Durchgang durch die vitale Ebene gemeint oder ein Verweilen dort, wie zum Beispiel in vielen Fällen von Selbstmord, wo einen die Kräfte des Leidens und Aufruhrs, die durch diesen unnatürlichen und gewaltsamen Abgang geschaffen wurden, weiterhin umgeben. Natürlich sind auch die Welten des Mentals und die vitalen Welten mit freudigen oder dunklen Erfahrungen durchsetzt. Man kann diese als das Ergebnis von Dingen betrachten, die in der menschlichen Natur geformt wurden und die eine zwangsläufige Anziehung schaffen – die Idee einer Belohnung oder Vergeltung hingegen ist eine unreife und gewöhnliche Vorstellung, die auf einem weit verbreiteten Irrtum beruht.

Es gibt kein Gesetz eines vollständigen Vergessens bei der Rückkehr der Seele zur Wiedergeburt. Besonders in der Kindheit tauchen viele Ahnungen eines vergangenen Lebens auf, die durchaus stark und lebendig sein können, doch verhindern die materialistische Erziehung und die Beeinflussung durch die Umgebung, dass ihre wahre Natur erkannt wird. Es gibt sogar eine große Anzahl von [erwachsenen] Menschen, die deutliche Erinnerungen an ein vergangenes Leben haben. Diese Dinge werden jedoch durch Erziehung und Atmosphäre nicht begünstigt, sie können nicht anhalten oder sich entwickeln und werden in den meisten Fällen erstickt. Darüber hinaus muss man natürlich wissen, dass das, was das seelische Wesen mit sich nimmt und was es zurückbringt, meist die Essenz der Erfahrung ist, die es in einem früheren Leben hatte, und keine Einzelheiten – du kannst also nicht eine gleiche Art von Erinnerung erwarten wie die, die du vom gegenwärtigen Dasein hast.

Eine Seele kann sich unmittelbar zur seelischen Welt begeben, jedoch hängt dies von dem Bewusstseinszustand zur Zeit des Abscheidens ab. Wenn die Seele sich zu diesem Zeitpunkt im Vordergrund befindet, ist ein direkter Durchgang absolut möglich. Er hängt nicht von der Erlangung einer mentalen, vitalen oder seelischen Unsterblichkeit ab – diejenigen, die diese erlangt haben, würden eher die Macht besitzen, sich in verschiedenen Welten zu bewegen und sogar auf die physische Welt einzuwirken, ohne an sie gebunden zu sein. Im Ganzen betrachtet kann man sagen, dass es keine starre Regel für diese Dinge gibt und mannigfache Abweichungen möglich sind, die von dem jeweiligen Bewusstsein sowie von seinen Energien, Neigungen und Gestaltungen abhängen – es besteht jedoch ein allgemeines Gefüge, ein allgemeiner Rahmen, in den alles passt und sich einordnet.

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Es ist notwendig, den Unterschied zwischen der sich entfaltenden Seele (dem seelischen Wesen) und dem reinen ātman, dem Selbst oder Spirit klar zu verstehen. Das reine Selbst ist ungeboren, es durchläuft weder Tod noch Geburt und ist unabhängig von Geburt oder Körper, von Mental, Leben oder dieser manifestierten Natur. Es wird durch diese Dinge weder gebunden noch eingeschränkt, noch beeinträchtigt, obwohl es sie annimmt und stützt. Im Gegensatz hierzu ist die Seele etwas, das in die Geburt herabkommt und den Tod durchläuft – obwohl sie selbst nicht stirbt, da sie unsterblich ist – und von einem Zustand zum anderen, von der Erdebene zu anderen Ebenen und wieder zurück zum Erdendasein wandert. Sie schreitet von Leben zu Leben durch eine Evolution fort, die sie zum menschlichen Zustand emporführt und entfaltet in all dem ein Wesen ihrer selbst, das wir das seelische Wesen nennen, welches die Evolution stützt; sie entwickelt ein physisches, vitales und mentales menschliches Bewusstsein als ihre Instrumente der Welterfahrung und eines verhüllten, unvollständigen, doch wachsenden Selbstausdrucks. All dies tut sie hinter dem Schleier und offenbart von ihrem göttlichen Selbst nur soviel, wie es die Unzulänglichkeit des instrumentalen Wesens zulässt. Es kommt jedoch eine Zeit, in der sie sich darauf vorbereiten kann, hinter dem Schleier hervorzutreten, die Führung zu übernehmen und die gesamte instrumentale Natur einer göttlichen Erfüllung zuzuwenden. Dies ist der Beginn des wahren spirituellen Lebens. Die Seele ist nunmehr fähig, sich für eine höhere Evolution des verkörperten Bewusstseins als die des mentalen menschlichen bereitzumachen – sie kann vom mentalen zum spirituellen und über Abstufungen des spirituellen zum supramentalen Zustand fortschreiten. Bis dahin aber gibt es keinen Grund, warum sie sich vom Geborenwerden abkehren sollte, und tatsächlich ist sie hierzu gar nicht in der Lage. Erst nach der Erreichung des spirituellen Zustandes kann sie die Erdmanifestation verlassen; es ist aber auch eine höhere Manifestation möglich – im Wissen und nicht in der Unwissenheit.

Daher erhebt sich deine Frage gar nicht. Nicht der nackte Spirit, sondern das seelische Wesen wandert zur seelischen Ebene, bis es in ein neues Leben gerufen wird. Eine Kraft, die es zwingen würde, ein neues Leben anzunehmen, ist daher nicht notwendig. Es [das seelische Wesen] ist seiner Natur nach etwas, das vom Göttlichen hervorgebracht wurde, um die Evolution zu stützen – und dies muss es tun, bis das Göttliche Ziel in seiner Evolution erreicht ist. karma ist nur ein Mechanismus, nicht die grundlegende Ursache des Erdendaseins – und das kann auch nicht sein, denn als die Seele erstmals in dieses Dasein trat, hatte sie kein karma.

Und was wiederum meinst du mit der “alles verhüllenden māyā” oder mit “alles Bewusstsein zu verlieren”? Die Seele kann nicht alles Bewusstsein verlieren, denn ihre eigentliche Natur ist Bewusstsein, wenn auch nicht das der mentalen Art, der wir diesen Namen geben. Dieses Bewusstsein ist durch das sogenannte Unbewusste der stofflichen Natur sowie durch die halbbewusste Unwissenheit von Mental, Leben und Körper zwar verdeckt, doch nicht ausgelöscht. Die Seele manifestiert in dem Maße, wie das individuelle Mental, Leben und der individuelle Körper wachsen, möglichst viel des Bewusstseins, das sie potentiell enthält; sie manifestiert es im gegenwärtigen Leben und in der äußeren instrumentalen Natur in dem Umfang und auf die Weise, wie es diese Instrumente und diese äußere Persönlichkeit, die für sie [die Seele] und durch sie vorbereitet wurden, zulassen.

Von einem furchtbaren Leiden, das die Seele im Verlauf der Wiedergeburt erdulden soll, ist mir nichts bekannt; volkstümliche Anschauungen, selbst wenn sie einer gewissen Grundlage nicht entbehren, sind selten vorurteilsfrei und genau.

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1. Das seelische Wesen steht hinter dem Mental, Leben und Körper und stützt sie; die seelische Welt ist nicht eine Welt in der Rangordnung der mentalen, vitalen oder physischen Welten, sondern steht hinter diesen allen, und die sich hier entwickelnde Seele kehrt dorthin für die Zeit zwischen zwei Leben zurück. Wenn die Seele in der aufsteigenden Ordnung von Körper, Leben und Mental nur ein Prinzip wäre, den anderen ebenbürtig und in der Rangordnung auf gleicher Grundlage mit diesen, könnte sie nicht die Seele von allem übrigen sein, das göttliche Element, das die Evolution der anderen ermöglicht und diese als Instrumente für das Wachsen zum Göttlichen hin durch kosmische Erfahrung benützt. Ebensowenig kann die seelische Welt eine unter den übrigen Welten sein, zu denen das evolutionäre Wesen sich um der überphysischen Erfahrung willen begibt; es ist eine Ebene, zu der es sich zur spirituellen Assimilation seiner Erfahrungen in sich selbst zurückzieht, eine Ebene für ein Wiedereintauchen in sein eigenes ursprüngliches Bewusstsein und in seine seelische Natur.

2. Für die wenigen, die die Unwissenheit zurücklassen und in das nirvāṇa eintreten, besteht das Problem nicht, unmittelbar in die höheren Welten der Manifestation aufzusteigen. nirvāṇa oder mokṣa ist ein befreiter Daseinszustand und nicht eine Welt – es ist eine Abkehr von den Welten und der Manifestation.

3. Der Zustand der Seele, die sich in die seelische Welt zurückzieht, ist ein vollkommen statischer; jede [der Seelen] zieht sich in sich selbst zurück und hat keine Beziehung zu anderen. Wenn sie aus ihrem Trancezustand auftaucht, ist sie für ein neues Leben bereit, doch wirkt sie zwischenzeitlich nicht auf das Erdenleben ein. Es gibt andere Wesen, Wächter der seelischen Welt, doch kümmern sich diese nicht um die Erde, sondern nur um die seelische Welt sowie um die Rückkehr der Seelen zur Reinkarnation.

4. Ein Wesen der seelischen Welt kann nicht mit der Seele eines Menschen auf Erden verschmelzen. Was manchmal vorkommt, ist, dass ein sehr fortgeschrittenes seelisches Wesen eine Emanation herabsendet, die in ein menschliches Wesen eingeht und dieses auf das seelische Wesen selbst vorbereitet, damit es in dessen Leben eintreten kann. Dies geschieht, wenn eine besondere Arbeit verrichtet und das menschliche Gefäß hierfür vorbereitet werden muss. Eine derartige Herabkunft zeitigt eine erstaunliche und plötzliche Veränderung in der menschlichen Persönlichkeit und Natur.

5. Meist bewahrt die Seele die gleiche Linie des Geschlechtes. Eine Veränderung des Geschlechtes geht in der Regel von den nichtzentralen Teilen der Persönlichkeit aus.

6. Es gibt keine feststehende Regel dafür, in welchem Stadium die Seele zur Wiedergeburt in einen neuen Körper eintritt, denn die Umstände ändern sich mit dem einzelnen Individuum. Es gibt seelische Wesen, die vorn Zeitpunkt der Empfängnis an Beziehung mit der Umgebung bei der Geburt und den Eltern aufnehmen und die Entwicklung der Persönlichkeit und Zukunft bereits im Embryo vorbereiten; andere treten [in den Körper] erst zum Zeitpunkt der Geburt ein, andere noch später im Leben – in diesen Fällen hält eine Emanation des seelischen Wesens das Leben aufrecht. Man sollte wissen, dass die Voraussetzungen des künftigen Lebens grundsätzlich nicht während des Aufenthaltes in der seelischen Welt determiniert werden, sondern zum Zeitpunkt des Todes; das seelische Wesen wählt dann, was es im nächsten Erdenleben ausarbeiten wird, und dementsprechend gestalten sich die Voraussetzungen.

Du darfst nicht vergessen, dass die Vorstellung einer Wiedergeburt und bestimmter Umstände des neuen Lebens als Belohnung oder Bestrafung von puṇya [Tugend] oder pāpa [Sünde] eine unreife, menschliche Vorstellung von Gerechtigkeit ist, ziemlich unphilosophisch, unspirituell und das wahre Ziel des Lebens entstellend. Das Leben auf Erden ist eine Evolution, und die Seele wächst durch Erfahrung, durch ein Ausarbeiten von diesem oder jenem in der menschlichen Natur; wenn Leiden sich einstellen, dann hat man sie zum Zwecke dieses Ausarbeitens zu erdulden und nicht als ein Urteil, das von Gott oder dem Kosmischen Gesetz verhängt ist über unser Fehlen und Irren, die unvermeidbar sind in der [Welt der] Unwissenheit.

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Es ist schwierig, eine positive Antwort auf diese Fragen zu geben, da keine allgemeine, für alle anwendbare Regel aufgestellt werden kann. Das Mental formt starre Gesetze oder ein starres Gesetz, doch die tatsächliche Manifestation ist durchaus plastisch, vielfältig und vielseitig. Meine Antworten dürfen daher nicht als etwas das Gebiet Erschöpfendes oder in sich Vollständiges aufgefasst werden.

1. Er (der jīvanmukta, der befreite Mensch) kann sich zu dem Ziel begeben, das für ihn festgelegt wurde – entweder in einen Zustand von nirvāṇa oder in eine der göttlichen Welten, um dort zu bleiben; er kann ebenso, wohin auch immer er sich begibt, in Verbindung mit der Erdbewegung bleiben und zu ihr zurückkehren, wenn es sein Wille ist, sie zu stützen.

Es ist zweifelhaft, ob er sich von der Welt der gegenwärtig höchsten seelischen Vollendung direkt zu einer noch höheren Welt begeben kann. Wenn er ursprünglich kein evolutionäres Wesen ist, sondern einer höheren Welt angehört, würde er zu dieser Welt zurückkehren. Wenn er weiter aufsteigen will, ist es logisch, dass er zum Bereich der Evolution zurückkehren muss, solange er das Bewusstsein, das jener höheren Ebene eigen ist, noch nicht entwickelt hat. Die orthodoxe Vorstellung, dass selbst die Götter auf die Erde kommen müssen, wenn sie erlöst werden wollen, könnte auf diesen Anstieg angewendet werden. Wenn er jedoch ursprünglich ein evolutionäres Wesen ist (siehe Ramakrishnas Unterscheidung von jīvakoṭi und īśvarakoṭi), muss er auf dem evolutionären Pfad weitergehen, entweder zu einer negativen Abkehr durch nirvāṇa oder einer absoluten göttlichen Vollendung in der sich mehrenden Manifestation von saccidānanda.

Was die Unmöglichkeit einer Wiederkehr anbelangt, so ist dies eine schwierige Frage. Ein göttliches Wesen kann immer zurückkehren – Ramakrishna sagt, dass der īśvarakoṭi nach Wunsch die Leiter zwischen Geburt und Unsterblichkeit hinauf– oder herabsteigen kann. Die anderen ruhen wahrscheinlich eine relativ unendliche Zeit, śāśvatīḥ samāḥ, wenn das ihr Wille ist, doch kann eine Rückkehr nicht ausgeschlossen werden, außer sie haben ihren höchstmöglichen Zustand erreicht.

Nein, diese Rückkehr zur seelischen Welt vor einer neuen Geburt findet nur auf der evolutionären Linie statt, sie ist nicht zwingend für eine göttliche Rückkehr.

2. Unter einem fortgeschrittenen seelischen Wesen ist hier wohl eines zu verstehen, das die Freiheit der Seele erreicht hat und im Göttlichen eingetaucht ist – eingetaucht heißt aber nicht aufgelöst. Ein derartiges Wesen schläft nicht in der seelischen Welt, sondern kann in seinem Zustand seligen Eintauchens verharren oder für einen bestimmten Zweck zurückkehren.

Das Wort “herabkommen” hat verschiedene Bedeutungen, je nach dem Zusammenhang – ich gebrauchte es hier in dem Sinn, dass das seelische Wesen in das menschliche Bewusstsein und den menschlichen Körper, die hierfür bereit sind, herabkommt; dieses Herabkommen kann zur Zeit der Geburt oder vorher stattfinden, es [das seelische Wesen] kann aber auch später herabkommen und die Persönlichkeit einnehmen, die es für sich vorbereitet hat. Ich verstehe nicht ganz, wer diese Persönlichkeiten von oben sein sollen – es ist das seelische Wesen selbst, das einen Körper annimmt.

3. Nein, das seelische Wesen kann nur in einem Körper wohnen. Jeder Mensch hat nur ein seelisches Wesen, doch die Wesen der höheren Ebenen, zum Beispiel die Götter der Obermental-Ebene, können sich gleichzeitig in mehr als einem menschlichen Körper manifestieren, indem sie verschiedene Emanationen in verschiedene Körper senden. Diese würden dann die vibhūtis jener devatās genannt werden.

4. Die Wächter der seelischen Welt sind weder menschliche Seelen noch ist dies ein Amt, zu dem sie verpflichtet wurden, noch sind sie Funktionäre – es sind Wesen der seelischen Ebene, die ihrer natürlichen Tätigkeit auf dieser Ebene nachgehen. Mein Ausdruck “Wächter” war lediglich eine Formulierung, die durch ein Bild oder eine Metapher die Art ihrer Tätigkeit andeuten sollte.

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Dem Geborenwerden zu entrinnen, war ein universales Ziel jener Zeit – abgesehen von ein oder zwei Shiva-Sekten, soviel ich weiß. Es ist etwas ganz anderes als das Göttliche, das viele Leben annimmt, und auch die Gita spricht vom höchsten Zustand nicht als laya [der Auslöschung der individuellen Seele im Unendlichen], sondern als ein Wohnen im Göttlichen [Bewusstsein auf Erden]. Es scheint also keinen Grund zu geben, warum der mukta und siddha, der jenes Wohnen im Göttlichen Bewusstsein erreicht hat, die Wiedergeburt und ihre Leiden mehr fürchten sollte als es das Göttliche tut.

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Der pitṛyāna, der Weg der Väter, soll zu den unteren Welten führen, die von den Vätern erreicht wurden, welche noch der Evolution in der [Welt der] Unwissenheit angehören. Durch devayāna, die Reise zu den Göttern, gelangt man über die Unwissenheit hinaus ins Licht. Das Problem mit dem Vätern ist, dass sie in den Puranas als die Vorfahren angesehen werden, denen der tarpaṇa gereicht wird – es ist ein alter Ahnenkult, wie er noch in Japan existiert; im Veda hingegen scheinen die Väter diejenigen zu sein, die vorangingen, um die überphysischen Welten zu entdecken.

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Das seelische Wesen wählt im Augenblick des Todes, was es im nächsten Leben ausarbeiten will, und bestimmt den Charakter und die Voraussetzungen der neuen Persönlichkeit. Der Sinn des Lebens besteht in dem evolutionären Wachsen durch Erfahrung unter den Bedingungen der Unwissenheit, bis man für das höhere Licht bereit ist.

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Der Wunsch eines sterbenden Menschen ist nur etwas Oberflächliches – er kann zwar von der Seele ausgelöst werden und auf diese Weise dazu beitragen, die Zukunft zu gestalten, er bestimmt aber nicht die Wahl der Seele [für das künftige Leben]. Das ist etwas hinter dem Schleier. Nicht die Tätigkeit des äußeren Bewusstseins bestimmt den inneren Vorgang, sondern umgekehrt. Manchmal jedoch gelangen Zeichen oder Fragmente dieser inneren Tätigkeit an die Oberfläche – Menschen haben zum Beispiel eine Vision oder erinnern sich der Umstände ihrer Vergangenheit in einem blitzartigen überblick zur Zeit des Todes – das ist die Rückschau der Seele, bevor sie den Körper verläßt.

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Die Wahl des seelischen Wesens zur Zeit des Todes arbeitet die nächste Gestaltung der Persönlichkeit nicht aus, sondern fixiert sie. Sobald es die seelische Welt betritt, beginnt es, die Essenz seiner Erfahrungen zu assimilieren, und mit Hilfe dieser Assimilierung wird dann die künftige seelische Persönlichkeit in Übereinstimmung mit der bereits vollzogenen Fixierung geformt. Wenn dieser Vorgang beendet ist, ist das seelische Wesen für eine neue Geburt bereit; weniger entwickelte [seelische] Wesen arbeiten die ganze Sache nicht für sich selbst aus, sondern diese Arbeit fällt den Wesen und Kräften der höheren Welt zu. Es ist aber nicht gesagt, dass die Kräfte der physischen Welt, sobald es zur Geburt kommt, die Ausarbeitung des Geplanten nicht durchkreuzen, da möglicherweise die neue Instrumentierung [des seelischen Wesens] für diesen Zweck nicht stark genug ist hier [auf Erden] besteht die Wechselwirkung von eigenen Energien und kosmischen Kräften. Vereitelung, Ablenkung, ein nur teilweises Ausarbeiten sind möglich – viele Dinge können geschehen. All dies ist kein starrer Mechanismus, sondern ein Verarbeiten von komplizierten Kräften. Es muss jedoch hinzugefügt werden, dass ein entwickeltes seelisches Wesen in diesem Übergang viel bewusster ist und viel selbst ausarbeitet. Auch die Zeitdauer hängt von der Entwicklungsstufe und einem gewissen Rhythmus des Wesens ab – bei einigen findet praktisch unmittelbar darauf eine Wiedergeburt statt, andere brauchen länger, bei manchen kann es Jahrhunderte dauern; doch auch hier gilt, dass das seelische Wesen, wenn es einmal genügend entwickelt ist, seinen eigenen Rhythmus und seine Ruhepausen zu bestimmen vermag. Die üblichen Theorien sind zu mechanisch, ebenso wie die Vorstellung von puṇya und pāpa mit ihren jeweiligen Ergebnissen im nächsten Leben. Die Energien eines vergangenen Lebens zeitigen zwar mit Sicherheit Folgen, doch nicht auf der Grundlage dieses ziemlich kindischen Prinzips. Eines guten Menschen Leiden wären der orthodoxen Theorie zufolge der Beweis, dass er ein großer Schurke in einem vergangenen Leben war, und eines schlechten Menschen Gedeihen wäre der Beweis, dass er ziemlich engelhaft bei seinem letzten Erdenbesuch gewesen sein muss und eine große Saat von Tugenden und verdienstvollen Taten säte, um diese Rekordernte von Glück zu erzielen. Zu symmetrisch, um wahr zu sein! Das Ziel des Geborenwerdens ist Wachstum durch Erfahrung, und die Rückwirkungen vergangener Taten finden deshalb statt, damit das Wesen lerne und wachse, und sind nicht als Lutschbonbons für die braven oder als eine Tracht Prügel für die bösen Kinder der Klasse in der Vergangenheit gedacht. Die tatsächliche Billigung für Gut und Böse ist nicht Glück für den einen und Unglück für den anderen, sondern dass uns das Gute einer höheren Natur entgegenführt, die letztlich über das Leiden erhaben ist, und das Schlechte uns zur niederen Natur hinabzieht, die sich immer im Kreis des Leidens und Bösen bewegt.

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Es gibt nichts Derartiges wie eine unüberwindliche Schwierigkeit aus den vergangenen Leben. Es gibt hilfreiche Gestaltungen und hemmende Gestaltungen; letztere müssen ausgestoßen und aufgelöst werden, man darf ihnen nicht erlauben, sich zu wiederholen. Die Mutter sagte dir das, um den Ursprung dieser Neigung zu erklären sowie die Notwendigkeit, sich von ihr zu befreien – in dem Gesagten war keine Andeutung einer unüberwindbaren Schwierigkeit enthalten – ganz im Gegenteil.

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Diese Worte beziehen sich nicht notwendigerweise auf die Tiergeburt; es stimmt aber, dass es einen allgemeinen Glauben dieser Art nicht nur in Indien gab, sondern auch überall dort, wo man an eine Übertragung oder Seelenwanderung glaubte. Shakespeare bezieht sich auf Pythagoras Glauben an die Seelenwanderung, wenn er davon spricht, dass jemand in ein Tier eingegangen sei. Doch die Seele – das seelische Wesen –, wenn sie einmal das menschliche Bewusstsein erreicht hat, kann sich ebensowenig in ein niedrigeres Tierbewusstsein zurückwenden, wie sie in einen Baum oder ein kurzlebiges Insekt zurückkehren kann. Es ist jedoch richtig, dass ein Teil der vitalen Energie oder des geformten instrumentalen Bewusstseins der menschlichen Natur dies kann und auch sehr häufig tut, wenn es von etwas im Erdenleben stark angezogen wird. Dies mag auch einzelne Fälle einer unmittelbaren Wiedergeburt in menschlicher Form mit voller Erinnerung erklären. Im allgemeinen aber kann man sich nur durch yogische Entwicklung oder durch Hellsehen des vergangenen Lebens genau erinnern.

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Wenn das Vital sich auflöst, können einige seiner starken Bewegungen, Wünsche oder Begierden in Tierformen eindringen, zum Beispiel kann sexuelles Begehren jenen Teil des vitalen Bewusstseins, den es kontrolliert, veranlassen, in einen Hund einzutreten, oder es kann eine gewohnheitsmäßige Regung von unersättlichem Begehren den betreffenden Teil des Bewusstseins in ein Schwein eingehen lassen. Das Tier verkörpert das vitale Bewusstsein, dessen Mental im Vital involviert ist; daher ist es natürlich, dass solche Dinge zur Befriedigung nach dort absinken.

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Die vitalen Überreste eines Toten gehören nicht dem inneren Wesen an (das sich auf seinen Weg zur seelischen Welt begibt), sondern seiner vitalen Hülle, die nach dem Tode abfällt. Sie können sich dem Vital eines anderen jīva, der geboren wird, anschließen oder von einem vitalen Wesen benutzt werden, um bei der Geburt in einen Körper einzutreten und zur Befriedigung seiner Neigungen teilweise von ihm Besitz ergreifen. Die Verbindung kann auch nach der Geburt stattfinden.

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Alle menschlichen Inkarnationen oder Geburten haben natürlich ein seelisches Wesen. Nur andere Arten, wie die vitalen Wesen, haben es nicht, und genau das ist der Grund, warum sie von den Menschen Besitz ergreifen und das physische Leben genießen wollen, ohne selbst hier geboren zu werden; denn auf diese Weise entkommen sie dem seelischen Gesetz der Evolution, dem spirituellen Fortschritt und der spirituellen Wandlung. Doch diese Formungen (die vitalen Überreste einer toten Person) sind etwas anderes; es sind Dinge, die die Erde nicht verlassen und von einer menschlichen Wiedergeburt (die natürlich eine Seele enthält) – die eine gewisse Anziehung auf sie ausübt und sich daher gegen ihr Eindringen weder wehrt noch ihm widersteht – zwar nicht Besitz ergreifen, sondern sich einfach an sie hängen.

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āsurīṣu1 kann unmöglich “Tier” bedeuten. Die Gita verwendet genaue Ausdrücke, und wenn sie Tier meint, würde sie Tier sagen und nicht asurisch. Die Bestrafung bedeutet, dass ihre Natur immer tiefer in das Asurische absinkt, bis sie gleichsam den Grund erreicht. Dies ist das natürliche Ergebnis ihrer unkontrollierten Neigungen, denen sie ohne jede Bemühung der Überwindung ungehemmt frönen; indem man dagegen die höhere Seite der Persönlichkeit “fördert, steigt man in natürlicher Weise auf und entwickelt sich auf die Gottheit oder das Göttliche hin. In der Gita wird das Göttliche als der überwacher des gesamten kosmischen Wirkens aufgefasst – daher stimmt dieses “Ich stürze sie” mit ihren Ideen überein. Die Welt ist ein Mechanismus der Natur, ein Mechanismus jedoch, der durch die Gegenwart des Göttlichen gelenkt wird.

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Soviel ich weiß, bleiben die Leben gewöhnlich auf einer Linie [des Geschlechtes] und wechseln nicht ab – ich glaube auch, dass dies der indischen Überlieferung entspricht, obwohl es zweckgebundene Ausnahmen geben mag, wie die von Shikandi. Wenn ein Wechsel stattfindet, betrifft er nur einen bestimmten Teil des Wesens, nicht das zentrale Wesen.

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Was meinst du mit allgemeiner Vorstellung? Alle Beispiele, von denen ich in volkstümlichen Berichten gehört habe, sind die eines Mannes, der im nächsten Leben ein Mann wird, und einer Frau, die eine Frau wird – außer sie werden zum Tier, doch selbst dann wird vermutlich der Mann ein männliches Tier und die Frau ein weibliches Tier. Es werden nur einzelne Fälle einer Geschlechtsveränderung erwähnt, wie die von Shikandi im Mahabharata. Die theosophische Auffassung ist voller unreifer Vorstellungen – ein Theosoph geht sogar soweit zu behaupten: “Wenn du ein Mann in diesem Leben bist, musst du eine Frau im nächsten werden!”

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Es gibt keinen eigentlichen Sex im seelischen Wesen, aber etwas, das man als das männliche und weibliche Prinzip bezeichnen könnte. Das ist eine schwierige Frage (ob sich das Geschlecht bei der Wiedergeburt ändert). Es gibt bestimmte Linien, denen die Reinkarnation folgt, und soweit meine und die allgemeinen Erfahrungen reichen, wird meist eine Linie eingehalten. Eine Veränderung des Geschlechtes kann jedoch nicht ausgeschlossen werden. Es kann Änderungen geben. Weibliche Züge bei einem Mann zeigen aber nicht notwendigerweise ein vergangenes Leben als Frau an – sie können durch das allgemeine Spiel der Kräfte und ihrer Gestaltungen in Erscheinung treten. Es gibt Eigenschaften, die beiden Geschlechtern gemein sind. Auch besteht die Möglichkeit, dass sich ein Fragment der seelischen Persönlichkeit mit einer fremden Geburt assoziiert hat. Man kann von einer bestimmten Person, die der Vergangenheit angehört, sagen, “das war nicht ich, doch ein Fragment meiner seelischen Vergangenheit war in ihm gegenwärtig”. Wiedergeburt ist eine komplizierte Angelegenheit und kein so einfacher Mechanismus, wie die volkstümliche Vorstellung es wahr haben will.

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Die Frage in deinem Brief scheint mir zu starr formuliert zu sein und den Tatsachen und Kräften des Daseins nicht genügend Rechnung zu tragen. Sie klingt eher nach einem Problem, das sich aufgrund der jüngsten wissenschaftlichen Theorien erheben könnte, nämlich wenn alles aus einander sich völlig gleichenden Protonen und Elektronen besteht (die Anzahl der Gruppen ausgenommen, doch warum sollte ein Unterschied in der Quantität einen derart großen Unterschied in der Qualität ausmachen?), wie kommt es dann, dass die Auswirkung davon in solch überwältigenden Unterschieden der Abstufung, der Art, der Macht, in Unterschieden von allen zum Ausdruck kommt? Aber warum sollten wir davon ausgehen, dass die seelischen Keime oder Funken wie in einem Wettlauf alle im gleichen Augenblick starteten, alle unter gleichen Voraussetzungen und gleichartig in ihrer Kraft und Natur? Gehen wir von der Annahme aus, dass das Eine Göttliche der Ursprung von allem und das Selbst das gleiche in allen ist; warum sollte sich jedoch in der Schöpfung der Unendliche nicht in unendlicher Verschiedenheit verkörpern, warum muss es eine unzählbare Gleichheit sein? Wieviele dieser seelischen Keime starteten lange vor den anderen und haben eine große Vergangenheit der Entwicklung hinter sich, und wieviele sind noch jung und roh und erst halb erwachsen? Und warum sollte es selbst unter denen, die gemeinsam starteten, nicht einige geben, die sich mit großer Schnelligkeit vorwärtsbewegten, und andere, die säumig waren und nur mit Mühe wuchsen oder in Kreisen umherwanderten? Und außerdem gibt es eine Evolution, und erst in einem bestimmten Stadium der Evolution wird die Grenze des Tierreiches überschritten und ein menschlicher Anfang gemacht; was löst diesen menschlichen Anfang, der eine sehr beträchtliche Revolution oder Umwälzung darstellt, aus? Bis zur Grenzlinie des Tierreiches entwickelten sich das Vital und das Physische – ist es für den menschlichen Beginn nicht notwendig, dass die Herabkunft eines mentalen Wesens stattfindet, welches die vitale und physische Evolution weiterführt? Und kann es nicht auch durchaus sein, dass die herabkommenden mentalen Wesen nicht alle die gleiche Macht, das gleiche Format haben und außerdem ein nicht gleichartig entwickeltes vitales und physisches Bewusstseins-Material aufnehmen? Wir dürfen die okkulte Tradition einer Hierarchie von Wesen nicht übersehen, die über der gegenwärtigen Manifestation stehen und in diese eintreten, woraus sich offensichtlich ein so ungeheuerer Unterschied an Ordnungen ergibt, und die sich sogar in das “Spiel” einmischen, indem sie durch die Pforten der Geburt in die Natur herabkommen. Es ist ein kompliziertes Problem, das nicht mit der Starrheit einer mathematischen Formel ausgedrückt werden darf.

Ein großer Teil der Schwierigkeiten in dieser Hinsicht, besonders das Zutagetreten unerklärlicher Widersprüchlichkeit, erhebt sich, weil das Problem selbst nicht richtig erkannt wurde. Nimm die volkstümliche Vorstellung von Reinkarnation und karma – sie gründet sich auf der rein mentalen Annahme, das Wirken der Natur hätte moralisch zu sein und müsse der strengen Moral einer für alle gleichen Gerechtigkeit folgen – ein gewissenhaftes, ja mathematisches Gesetz von Belohnung und Bestrafung oder jedenfalls von Konsequenzen, die mit der menschlichen Vorstellung der richtigen Entsprechung übereinstimmen. Doch die Natur ist nicht moralisch – sie gebraucht Kräfte und Vorgänge in moralischem, amoralischem und nicht-moralischem Durcheinander, um ihre Ziele zu verwirklichen. Die Natur in ihrem äußeren Aspekt scheint sich um nichts anderes zu kümmern, als dass die Dinge geschehen, oder aber die Voraussetzungen für eine kunstvolle Vielfalt des Lebens-Spiels zu schaffen. Die Natur in ihrem tieferen Aspekt, als bewusste spirituelle Macht, strebt nach Wachstum durch Erfahrung, nach spiritueller Entwicklung der Seele in ihrer Obhut – und diese Seelen haben dabei selbst ein Wort mitzureden. All diese guten Leute jammern und wundern sich, dass sie und andere gute Leute unausgesetzt von derart sinnlosem Leid und Unglück heimgesucht werden. Ist es aber wirklich eine äußere Macht, die sie heimsucht, oder ist es ein mechanisch-karmisches Gesetz? Ist es nicht möglich, dass die Seele selbst – nicht das äußere Mental, sondern der innere Spirit – diese Dinge als Teil ihrer Entwicklung gewählt und angenommen hat, um rasch durch die notwendige Erfahrung zu gehen, sich durchzuhauen2, selbst auf die Gefahr hin, dass das äußere Leben und der Körper großen Schaden erleiden? Ist es nicht möglich, dass für die wachsende Seele, den Spirit in uns, die Schwierigkeiten, Hindernisse und Angriffe ein Mittel des Wachstums, der vermehrten Kraft, der größeren Erfahrung sein könnten – ein Training für den spirituellen Sieg? Es könnte immerhin sein, dass sich die Dinge so verhalten und dass es nicht eine reine Frage von Pfunden, Schillingen und Pence ist, eine Frage der Austeilung von Belohnung und vergeltender Strafe.

Das gleiche gilt für das Problem, ein Tier unter den Umständen zu töten, wie sie dein Freund in dem Brief schildert. Dieses Problem erhebt sich auf der Grundlage eines unveränderlichen ethischen “richtig oder falsch”, das in allen Fällen angewendet werden soll: Ist es grundsätzlich unter irgendwelchen Umständen erlaubt, ein Tier zu töten, oder ist es richtig, ein Tier unter deinen Augen leiden zu lassen, wenn du es durch Euthanasie erlösen kannst? Auf eine derart formulierte Frage kann es keine unanfechtbare Antwort geben, da die Antwort von Daten abhängt, die dem Mental nicht zur Verfügung stehen. Tatsächlich gibt es noch viele andere Gründe, welche die Menschen diesen kurzen und gnädigen Weg aus der Schwierigkeit wählen lassen – die nervliche Unfähigkeit, den Anblick und das Anhören von so viel Leiden zu ertragen, der sinnlose Kummer, der Abscheu und die Unbequemlichkeit, alles scheint dafür zu sprechen, dass das Tier selbst von all dem erlöst sein will. Was aber fühlt das Tier wirklich? Klammert es sich trotz des Schmerzes nicht doch an das Leben? Oder hat die Seele diese Dinge vielleicht auf sich genommen, um der rascheren Entwicklung in ein höheres Lebens-Stadium willen? Sollte dies der Fall sein, dann kann die angewandte Barmherzigkeit das karma des Tieres durchaus beeinträchtigen. Tatsächlich fällt die rechte Entscheidung von Fall zu Fall verschieden aus und hängt von einem Wissen ab, über welches das menschliche Mental nicht verfügt – und es kann durchaus gesagt werden, dass, solange es dieses Wissen nicht besitzt, man kein Recht hat zu töten. Ein dunkles Erkennen dieser Wahrheit ließ Religionen und Ethik das Gesetz von ahiṃsā [Nicht-Gewalt] entwickeln – und dennoch wird auch dies zu einer mentalen Regel, die, in der Praxis anzuwenden, nicht möglich ist. Und vielleicht ist die Moral hiervon, dass wir in jedem Fall, so wie die Dinge liegen, entsprechend unserer besten Einsicht handeln müssen, dass die Lösung dieser Probleme jedoch erst dann erfolgen kann, wenn man nach einem größeren Licht, einem größeren Bewusstsein strebt, in dem die Probleme als solche, wie sie derzeit vom menschlichen Mental erfahren werden, nicht mehr entstehen, da wir eine Schau haben werden, die die Welt auf andere Weise sieht, und eine Führung, über die wir gegenwärtig noch nicht verfügen. Das mentale oder moralische Gesetz ist ein Notbehelf, den die Menschen auf sehr unsichere und fehlerhafte Weise anwenden müssen, bis sie die Dinge in ihrer Ganzheit im Licht des Spirits zu erkennen vermögen.

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Du solltest einen weit verbreiteten Irrtum hinsichtlich der Reinkarnation vermeiden. Die allgemeine Vorstellung ist, dass Titus Balbus als John Smith wiedergeboren wird, als ein Mensch mit der gleichen Persönlichkeit, dem gleichen Charakter und den gleichen Fähigkeiten, die er in einem früheren Leben besaß, mit dem einzigen Unterschied, dass er Mantel und Hosen trägt statt einer Toga und dass er Cockney-Englisch spricht statt des volkstümlichen Lateins. Das ist nicht der Fall. Es hätte nicht den geringsten Sinn, die gleiche Persönlichkeit oder den gleichen Charakter millionenmale vom Anbeginn der Zeit bis an ihr Ende zu wiederholen. Die Seele tritt um der Erfahrung willen in die Geburt ein, um des Wachstums und der Entwicklung willen, bis sie das Göttliche in die Materie bringen kann. Es ist das zentrale Wesen, das sich inkarniert, nicht die äußere Persönlichkeit – die Persönlichkeit ist lediglich eine Form, die sich das zentrale Wesen in diesem einen Leben für seine Erfahrungen schafft. In einer anderen Geburt wird es sich eine andere Persönlichkeit schaffen, andere Fähigkeiten, ein Leben, das anders verläuft. Angenommen, Virgil würde wiedergeboren, dann könnte er sich durchaus in einem oder zwei weiteren Leben wieder der Poesie zuwenden, doch würde er vermutlich nicht wieder ein Epos schreiben, sondern eher eine leichte, doch elegante und schöne Lyrik, derart, wie er sie in Rom schreiben wollte, aber nicht dazu kam. In einem weiteren Leben würde er vielleicht überhaupt kein Dichter sein, sondern ein Philosoph und Yogi, der die höchste Wahrheit zu erreichen und auszudrücken sucht, denn auch dies war ein unverwirklichter Zug seines Bewusstseins in jenem Leben. Und vielleicht ist er zuvor ein Krieger oder Herrscher gewesen und hatte Taten wie Aeneas oder Augustus vollbracht, die er später dann besungen hat. Und so weiter – auf die eine oder andere Weise entfaltet das zentrale Wesen einen neuen Charakter, eine neue Persönlichkeit, es wächst und entwickelt sich und geht durch alle Arten der Erderfahrung.

In dem Maße, wie das sich entfaltende Wesen weitergeformt und reicher und komplizierter wird, sammelt es gleichsam Persönlichkeiten an. Manchmal verbergen sie sich hinter den aktiven Elementen und bringen etwas Farbe in diese, einen charakteristischen Zug, hie und da eine Fähigkeit –, oder aber sie befinden sich im Vordergrund, und es entsteht eine vielschichtige Persönlichkeit, ein vielseitiger Charakter oder ein vielseitiges, ja gleichsam universales Talent. Wenn aber eine frühere Persönlichkeit, eine frühere Fähigkeit voll in Erscheinung tritt, dann nicht deshalb, um das zu wiederholen, was bereits getan wurde, sondern um die gleiche Fähigkeit in neue Formen und Umrisse zu gießen und zu einer neuen Harmonie des Wesens zu verschmelzen, die nicht die Wiederholung dessen sein wird, was vor her war. Daher darfst du nicht erwarten, das zu sein, was der Krieger und Dichter waren. Einige der äußeren kennzeichnenden Eigenschaften mögen wiederkehren, jedoch in sehr veränderter Form und neuer Zusammenstellung. Die Energien werden in eine andere Richtung gelenkt, um das zu vollbringen, was vorher nicht vollbracht wurde.

Noch etwas anderes. Nicht die Persönlichkeit, sondern der Charakter ist bei der Wiedergeburt von vordringlicher Wichtigkeit – das seelische Wesen ist es, das hinter der Evolution der menschlichen Natur steht und sich mit ihr entfaltet. Die Seele, sobald sie sich vom Körper löst und das Mental und Vital auf dem Weg zu ihrem Ruheplatz zurücklässt, bewahrt den Kern der Erfahrungen – nicht die physischen Ereignisse, nicht die vitalen Bewegungen, nicht den mentalen Aufbau, nicht die Fähigkeiten oder Charaktere, sondern etwas Wesentliches, das sie aus ihnen bezieht, etwas, das man das göttliche Element nennen könnte, um dessentwillen das übrige bestand. Und das ist die immerwährende Hinzufügung, durch die man dem Göttlichen entgegenwächst Daher hat man auch meist keine Erinnerung an die äußeren Ereignisse und Umstände des vergangenen Lebens, die zwar in einer Art keimhafter Erinnerung vorhanden sind, gewöhnlich aber nicht in Erscheinung treten – für eine derartige Erinnerung hätte eine kraftvolle Entwicklung auf ein ununterbrochenes Fortbestehen des Mentals, Vitals und selbst des feinen Physischen stattfinden müssen. Das, was das göttliche Element im Großmut des Kriegers war, das, was sich in seiner Treue, in seinem Adel, seinem Edelmut zeigte, das, was das göttliche Element in der harmonischen Geistigkeit und weitherzigen Vitalität des Dichters war, und das sich in ihnen ausdrückte, wird erhalten bleiben und in einer neuen Harmonie des Charakters einen neuen Ausdruck finden; oder aber es wird, wenn sich das Leben dem Göttlichen zuwendet, als eine Fähigkeit für die Verwirklichung oder die Arbeit, die für das Göttliche zu geschehen hat, in Erscheinung treten.

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Die nicht-materialistische europäische Vorstellung unterscheidet zwischen Seele und Körper: der Körper ist vergänglich, die Seele – das mental-vitale Bewusstsein – ist unsterblich, sie bleibt immer die gleiche (schreckliche Vorstellung!), ob im Himmel oder auf Erden, und wenn es eine Wiedergeburt gibt, dann ist es die gleiche verdammte Persönlichkeit, die zurückkehrt und sich auf ähnliche Weise lächerlich macht. Das Wesen nimmt im Verlauf seiner Leben verschiedene Persönlichkeiten an und durchläuft verschiedenartige Erfahrungen, doch bringt es diese in der Regel nicht in das nächste Leben mit. Es übernimmt ein neues Mental, Vital und einen neuen Körper. Die mentalen Fähigkeiten, Neigungen, Interessen und Eigenheiten des vergangenen Mentals und Vitals werden jedoch von dem neuen Mental und Vital nicht übernommen, außer in dem Umfang, der für das nächste Leben nützlich ist. Man kann in einem Leben die Fähigkeit dichterischen Ausdrucks besitzen, im nächsten aber kein derartiges Talent zur Dichtung oder nicht einmal Interesse an ihr haben. Auf der anderen Seite können unterdrückte, fehlende oder unvollkommen entwickelte Neigungen eines Lebens in einem nächsten in Erscheinung treten. Der Gegensatz, den du bemerkt hast, wäre demnach nicht überraschend. Die Essenz vergangener Erfahrungen wird bewahrt, nicht aber die Form der Erfahrung oder der Persönlichkeit, ausgenommen jene, die für das nächste Stadium des Fortschritts der Seele gebraucht werden.

Das Wesen kann sich in dem langen Verlauf seiner Erfahrung eine Zeitlang dem Suchen nach sinnlichen Vergnügungen hingeben, dies aber später aufgeben und sich höheren Dingen zuwenden. Dies ist sogar im Laufe einer einzigen Lebenszeit möglich, a fortiori in einem zweiten Leben, in das die alten Persönlichkeiten nicht übernommen werden.

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Ich erinnere mich nicht des Zusammenhangs, in dem der Ausdruck “andere Kräfte” gebraucht wurde. Doch was du sagst, ist richtig, das heißt unter der Voraussetzung, dass eine vergangene Persönlichkeit oder ein Teil von ihr bewusst in das gegenwärtige Leben übernommen wird. Es stimmt vermutlich, dass du in einem vergangenen Leben ein Revolutionär warst, und wenn kein Revolutionär, so doch in eine gewaltsame politische Tätigkeit verwickelt. Ich kann es nicht genauer bezeichnen oder umreißen. Doch nicht nur die plötzlichen Ausbrüche von Ärger und Gewaltsamkeit, sondern wahrscheinlich auch der Wunsch zu helfen, zu erneuern, zu läutern, und andere Gefühlskräfte und Leidenschaften stammen von dorther. Wenn eine Persönlichkeit derart ins nächste Leben übertragen wird, werden nicht nur die unerwünschten Seiten, sondern auch die geläuterten und gebändigten Dinge übernommen.

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Das Unterbewusste wird für dieses eine Leben geformt und wird von der Seele nicht von einem Leben zum anderen mitgenommen. Die Erinnerung an vergangene Leben ist nirgendswo im Wesen aktiv – wenn du damit die Erinnerung an Einzelheiten meinst. Sie ruht vielmehr und ist unauffindbar, es sei denn, dass bestimmte wesentliche, aus der Vergangenheit übernommene Persönlichkeiten die Erinnerung aus dem jeweiligen Leben bewahrt haben, in welchem sie verkörpert waren; so zum Beispiel, wenn sich eine Persönlichkeit, die in Venedig oder Rom lebte, von Zeit zu Zeit einer oder mehrerer Einzelheiten der damaligen Geschehnisse erinnert. Meist jedoch wird nur die Essenz der vergangenen Leben im Wesen aktiviert, nicht aber bestimmte Erinnerungen. Daher kann man keinesfalls sagen, dass die Erinnerung in einem besonderen Teil des Bewusstseins oder auf einer besonderen Ebene lokalisiert sei.

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Nein, das Unterbewusste ist das Instrument des physischen Lebens und verschwindet nach dem Tod. Es fehlt ihm der nötige Zusammenhang, um ein geordnetes, anhaltendes Dasein zu besitzen.

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Bei den meisten Menschen löst sich das Vital nach einer gewissen Zeit auf, da es, um unsterblich zu sein, nicht genügend geformt ist. Die herabkommende Seele schafft sich eine neue vitale Formung, die für das neue Leben geeignet ist.

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Wenn man eine kraftvolle spirituelle Entwicklung durchlaufen hat, ist es leichter, das geformte Mental oder Vital nach dem Tod zurückzubehalten. Die betreffende Person muss jedoch nicht unbedingt ein bhakta oder jñānī gewesen sein. Man könnte zum Beispiel von Shelley oder Plato sagen, dass sie ein entwickeltes Mental besaßen, das um die Seele zentriert war – von ihrem Vital kann man das schwerlich behaupten. Napoleon besaß ein kraftvolles Vital, das aber nicht um das seelische Wesen angeordnet war.

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(Das Überleben der Zentren nach dem Tod:) Nicht so wie sie sind. Was übrigbleibt und in welchem Ausmaß hängt von der Entwicklung in jedem einzelnen Fall ab. Natürlich überdauern die Zentren als solche, denn sie befinden sich im feinstofflichen Leib, von wo sie auf die entsprechenden physischen Zentren einwirken können.

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So wie ein Mensch auf seinen gewöhnlichen Bewusstseinsebenen verschiedene Persönlichkeiten hat – ebenso können sich verschiedene Wesen mit seinem Bewusstsein in einem späteren Entwicklungsstadium assoziieren – sie können in sein höheres Mental oder andere höhere Seins-Ebenen herabkommen und sich mit seiner Persönlichkeit verbinden. Das gilt für das Prinzipielle. Für eine spezielle Aussage jedoch ist es ungenau. Es bezieht sich vermutlich auf jene Zeit, in der die Mutter Wesen herabbrachte, die die Arbeit stützen sollten.

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Es ist für ein Wesen der höheren Ebenen immer möglich, eine Erdgeburt auf sich zu nehmen – es schafft sich dann ein Mental oder Vital oder verbindet sich mit einem Mental, Vital und einem Körper, die bereits unter seinem Einfluss entwickelt wurden – es gibt in der Tat viele Möglichkeiten für seine Manifestation hier, nicht nur eine.

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Den vergangenen Leben sollte man keine zu große Bedeutung beimessen. Für den Zweck dieses Yoga ist man das, was man ist und darüber hinaus, was man sein will. Was man war, ist Nebensache.

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Im Ernst, diese historischen Identifikationen sind ein gefährlicher Zeitvertreib und öffnen dem Spiel der Phantasie hundert Türen und Tore. Einige mögen und müssen der Natur der Dinge nach wahr sein; wenn die Menschen jedoch einmal damit anfangen, wissen sie nicht mehr, wo sie aufhören sollen. Wichtiger als die vergangenen Leben sind die [allgemeinen] Linien, ist die Inkarnation der Kräfte, die erklärt, was man jetzt ist. Was die bestimmten Leben oder vielmehr Persönlichkeiten anbelangt, so zählen allein diejenigen, die entscheidend [in einem Menschen] geformt sind und machtvoll zu der jetzigen Entwicklung beigetragen haben. Es ist jedoch nicht immer möglich, sie zu benennen; denn nicht von einem Hunderttausendstel dessen, was gewesen ist, wurde in menschlicher Zeit ein Name bewahrt.

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Es ist ein wenig schwierig zu erklären. Wenn man einen neuen Körper erhält, setzt sich die ihn bewohnende Natur – die Mental-Natur, die Vital-Natur, die physische Natur – aus vielen Persönlichkeiten zusammen und nicht nur aus einer, wie vielfach angenommen wird; es gibt hingegen nur ein zentrales Wesen. Diese komplexe Persönlichkeit wird zum Teil geformt, indem Persönlichkeiten aus vergangenen Leben zusammengebracht werden, aber auch indem Erfahrungen, Neigungen, Einflüsse aus der Erdatmosphäre gesammelt und von einer der entscheidenden Persönlichkeiten als passend für die eigene Natur angenommen werden. Solch ein Einfluss, der von X oder einem seiner Jünger zurückgelassen wurde, kann von dir aufgenommen worden sein, deshalb aber bist du noch keine Inkarnation von ihm.

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Diese Dinge (Buddha, Ramakrishna, Vivekananda oder Shankara häufig in einer Vision zu sehen) sind das Ergebnis vergangener Gedanken und Einflüsse. Es gibt verschiedene Arten, manchmal nur Gedankenformen, die von der eigenen Gedankenkraft geschaffen wurden, um als Gefäß für eine mentale Verwirklichung zu dienen; manchmal sind es Mächte verschiedener Ebenen, die diese Gestalten zur Förderung ihrer Arbeit durch das Individuum annehmen – manchmal jedoch ist man tatsächlich in Verbindung mit demjenigen, der den Namen, die Gestalt und die Persönlichkeit von Buddha, Ramakrishna, Vivekananda oder Shankara hatte.

Man braucht kein Wesenselement in sich zu haben, das diesen Persönlichkeiten gleicht – ein Gedanke, ein Streben, eine Formung des Mentals oder Vitals reichen aus, um die Verbindung herzustellen, sie reichen für eine respondierende Vibration dessen aus, was diese Mächte darstellen.

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Die Mutter spricht zu Menschen über deren vergangene Leben nur dann, wenn sie in ihrer Konzentration deutlich ein Bild oder eine Erinnerung ihrer Vergangenheit sieht; doch dies geschieht jetzt selten.

Aus vergangenen Leben werden hauptsächlich die Natur der Persönlichkeit und die Ergebnisse der Lebenserfahrung bewahrt. Namen, Ereignisse, physische Einzelheiten werden nur unter außergewöhnlichen Umständen erinnert und sind von durchaus untergeordneter Bedeutung. Wenn die Menschen versuchen, sich solcher äußeren Dinge zu erinnern, geschieht es meist, indem sie viele romantische Vorstellungen in sich erstehen lassen, die nicht stimmen.

Ich glaube, du solltest diese Idee der vergangenen Leben fallenlassen. Eine Erinnerung an vergangene Persönlichkeiten, die von selbst entsteht (ohne Namen oder rein äußerliche Einzelheiten), ist manchmal wichtig, um etwas in der gegenwärtigen Entwicklung deutlich zu machen; es reicht jedoch völlig aus, das Wesen dieser Persönlichkeit zu kennen und den Anteil, den sie an der gegenwärtigen Charakterbeschaffenheit hat. Das übrige hat nur geringen Wert.

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Es ist überflüssig, diesen Vorstellungen der vergangenen Leben irgendwelchen Glauben zu schenken. X‘s Vorstellung von Y‘s Wiedergeburt ist ganz offensichtlich ein reines Hirngespinst und nichts sonst.

Das einzig Wahre an diesen Dingen ist meist die Erkenntnis, dass man eine Kraft, die einmal in einer bestimmten Person gegenwärtig war, nun als einen Teil der eigenen Natur besitzt – aber nicht, dass die gleiche Persönlichkeit vorhanden ist.

Natürlich gibt es eine Wiedergeburt; um jedoch festzustellen, dass man dieser oder jener Wiedergeborene ist, bedarf es einer tieferen Erfahrung, nicht einer rein mentalen Intuition, die leicht ein Irrtum sein kann.

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Ideen dieser Art über X oder Y sind mentale Ideen, von denen das Vital sich stark angezogen fühlt – die Wahrheit vergangener Leben kann aber nicht auf diese Weise entdeckt werden. Diese mentalen Ideen sind falsch. Du musst auf das direkte Wissen einer befreiten Natur warten, bevor du zu erkennen vermagst, wer du in deinem vergangenen Leben warst.

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Die Seele gibt die mentalen und anderen Hüllen (außer der physischen) nicht unmittelbar beim Tod auf. Man sagt, dass es im ganzen drei Jahre dauert, sich von der Verbindungszone mit der Erde zu lösen – es kann aber Fälle eines langsameren oder schnelleren Durchganges geben. Die seelische Welt ist nicht mit der Erde verbunden – jedenfalls nicht auf diese Weise. Und der Geist, der bei Séancen auftaucht, ist nicht das seelische Wesen. Was durch das Medium in Erscheinung tritt, ist ein Gemisch, das aus dem Unterbewusstsein des Mediums und dem der Séance-Teilnehmer stammt (ich gebrauche “unterbewusst” hier im gewöhnlichen, nicht im yogischen Sinn) – es können vitale Hüllen sein, die von den Verstorbenen zurückgelassen und unter Umständen von einem Geist oder vitalen Wesen benutzt werden; es kann auch der Verstorbene selbst in seiner vitalen Hülle sein, oder aber etwas, das für diese Gelegenheit übernommen wurde (es ist jedoch der vitale Teil, der die Verbindung herstellt), es können Elementargeister, also Geister der niedrigsten vital-physischen Welt nahe der Erde sein usw. usw. Meist ein furchtbares Durcheinander – ein Mischmasch aller Arten von Dingen, die durch eine Vermittlungszone aus “astralem” Graulicht und Schatten kommen. Viele dieser “Vermittler” scheinen Menschen zu sein, die gerade in die feinstoffliche Welt eingetreten sind, wo sie sich von einer verbesserten Ausgabe des Erdenlebens umgeben fühlen und glauben, dass dies die wirkliche und endgültige andere Welt nach der Erde sei – tatsächlich jedoch ist es nur eine Verlängerung der Ideen, Bilder und Assoziationen der menschlichen Ebene. Es ist die nächste Welt, wie sie von spiritistischen “Führern” und anderen Séance-Vermittlern dargestellt wird.

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Das alles besitzt keine allzu große Glaubwürdigkeit (Mitteilungen von spiritistischen Führern). Wenn man es näher betrachtet, sieht man, dass diese ihren Anhängern nur das vorschlagen, was bereits im Mental der Séance-Teilnehmer vorhanden ist, und sehr wenig kommt dabei heraus. Natürlich gibt es Einflüsse aus anderen Welten, und zwar jede Menge, die innere Führung jedoch ist nicht von dieser Art – außer in sehr seltenen Fällen.

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Automatisches Schreiben und spiritistische Séancen sind eine sehr fragwürdige Angelegenheit. Ein Teil stammt aus dem unterbewussten Mental des Mediums, ein anderer Teil aus dem der Séance-Teilnehmer. Man darf jedoch nicht alles einer aufgebauschten Phantasie und Erinnerung zuschreiben. Manchmal gibt es Dinge, die keiner der Anwesenden wissen oder erinnern kann, manchmal sogar, obwohl selten, flüchtige Ausblicke in die Zukunft. Meist jedoch bringen einen diese Sitzungen mit einer sehr niedrigen Welt von vitalen Wesen und Kräften in Verbindung, die dunkel, widerspruchsvoll und schlau sind – es ist gefährlich, mit ihnen Umgang zu pflegen oder sich irgendeinem Einfluss preiszugeben. Ouspensky und andere sind zweifellos durch diese Experimente mit einer zu mathematischen Auffassung gegangen, was sie zwar einerseits schützte, andererseits jedoch daran hinderte, zu einer mehr als oberflächlich-intellektuellen Ansicht über ihre Bedeutung zu gelangen.

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Was meinst du mit einem Geist? Das Wort “Geist”, wie es in der Umgangssprache gebraucht wird, umfasst eine große Zahl von bestimmten Phänomenen, die in keinem Zusammenhang miteinander stehen. Einige davon seien hier angeführt:

1. Ein tatsächlicher Kontakt mit der Seele eines Menschen in seinem feinstofflichen Leib, der auf unser Mental durch das Erscheinen eines Bildes oder das Hören einer Stimme übertragen wird.

2. Ein mentales Gebilde, das mit Hilfe der Gedanken und Gefühle eines abgeschiedenen Menschenwesens die Atmosphäre einer Stätte oder eines Ortes prägt – es wandert dort umher oder vervielfacht sich, bis es sich schließlich entweder erschöpft oder durch das eine oder andere Mittel aufgelöst wird. Das ist die Erklärung solcher Phänomene wie das verhexte Haus, in denen Vorgänge, die zum Beispiel einen Mord begleiteten oder ihm vorangingen, wieder und wieder stattfinden, und vieler derartiger Erscheinungen mehr.

3. Ein Wesen der niederen vitalen Ebenen, das entweder die abgeworfene Hülle eines gestorbenen menschlichen Wesens oder aber ein Fragment seiner vitalen Persönlichkeit angenommen hat und in dieser Gestalt erscheint und handelt und vielleicht sogar die oberflächlichen Gedanken und Erinnerungen jener Person hat.

4. Ein Wesen der niederen vitalen Ebene, das über ein lebendes Menschenwesen oder mit Hilfe eines anderen Instrumentes oder Mittels fähig ist, sich hinreichend zu materialisieren, damit es in einer sichtbaren Form erscheinen und handeln oder mit einer hörbaren Stimme sprechen kann; oder aber, ohne zu erscheinen, stoffliche Dinge bewegt, zum Beispiel Möbel oder Gegenstände materialisiert oder sie von einem Platz zum anderen schiebt. Dies ist es, was man Poltergeister nennt – Erscheinungsformen von Steine werfenden und Bäume bewohnenden bhūtas und andere wohlbekannte Phänomene.

5. Erscheinungen, die vom eigenen Mental geformt werden und auf die Sinne wie objektive Phänomene wirken.

6. Vitale Wesen, die zeitweilig von Menschen Besitz ergreifen und manchmal vorgeben, abgeschiedene Verwandte zu sein, usw.

7. Gedankenbilder, die Menschen zur Zeit des Todes häufig von sich projizieren und die in diesem Augenblick oder einige Stunden später ihren Freunden oder Verwandten erscheinen.

Du siehst, dass nur in einem dieser Fälle, dem ersten, eine Seele vorkommt, und hier erhebt sich keine Schwierigkeit.

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Jeder Mensch auf Erden folgt seiner eigenen Schicksalslinie, die von seiner Natur und seinen Taten bestimmt wird, und nur wenn man den gesamten Verlauf vieler Leben betrachtet, kann die Bedeutung und Notwendigkeit dessen, was in einem bestimmten Leben geschieht, verstanden werden. Doch diejenigen, die über das gewöhnliche Mental und die gewöhnlichen Gefühle hinausgelangen und die Dinge als ein Ganzes zu sehen vermögen, können erkennen, dass sogar Irrtümer, Missgeschick und Miseren nichts als Stationen auf der Reise sind; die Seele aber sammelt Erfahrung in dem Maß, wie sie diese meistert und hinter sich lässt, bis sie für den Übergang reif ist, der sie über diese Dinge hinaus zu einem höheren Bewusstsein und Leben führen wird. Wenn man zu dieser Scheidelinie gelangt ist, muss man das alte Mental und die alten Gefühle zurücklassen. Man blickt dann auf diejenigen, die noch in die Freuden und Sorgen der gewöhnlichen Welt verstrickt sind, mit Sympathie und, wo immer es möglich ist, mit spiritueller Hilfsbereitschaft, doch ohne verhaftet zu sein. Man lernt, die Führung in all ihrem Straucheln zu erkennen, und vertraut der Universalen Kraft, die über ihrem Dasein wacht, es stützt und für sie tut, was immer das Beste für sie ist. Das eine aber, das wirklich für uns zählt, ist, in das Größere Licht und die Göttliche Einung einzutreten – sich zum Göttlichen hinzuwenden, auf es allein zu vertrauen, sei es für uns oder andere.

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Dies ist eine sehr verwickelte und schwierige Frage, und sie kann kaum in wenigen Worten beantwortet werden. Überdies ist es unmöglich, eine allgemeine Richtlinie dafür aufzustellen, warum solche inneren, engen Kontakte [zwischen zwei Menschen] bestehen, denen dann die physische Trennung durch den Tod folgt – jeder Fall ist anders, und man müßte die Personen kennen und mit ihrer Seelengeschichte vertraut sein, um sagen zu können, was hinter ihrer Begegnung und Trennung stand. Im allgemeinen ist ein Leben nur eine kurze Episode in einer langen Geschichte spiritueller Evolution, in welcher die Seele der Kurve jener Linie folgt, die für die Erde festgelegt wurde, und sie durchläuft viele Leben, um sie zu vollenden. Es ist eine Evolution aus stofflicher Unbewusstheit zu Bewusstsein und dann auf das Göttliche Bewusstsein hin, von der Unwissenheit zu göttlichem Wissen, von der Dunkelheit durch Halblicht zum Licht, vom Tod zur Unsterblichkeit, vom Leiden zu Göttlicher Seligkeit. Leiden entsteht zunächst durch Unwissenheit, dann durch die Trennung des individuellen Bewusstseins vom Göttlichen Bewusstsein und Sein, eine Trennung, die durch die Unwissenheit entstand – wenn all dies aufhört, wenn man im Göttlichen lebt und nicht mehr in seinem abgespaltenen kleineren Selbst, dann erst kann Leiden insgesamt enden. Jede Seele folgt ihrer eigenen [Schicksals-] Linie, diese Linien treffen sich, bleiben eine Zeitlang zusammen, trennen sich dann, um einander vielleicht später abermals zu begegnen – und wenn sie sich wieder auf der Reise treffen, dann deshalb, um sich in der einen oder anderen Weise zu helfen. Nach dem Tod wandert die Seele zu anderen Daseinsebenen, verweilt dort eine gewisse Zeit und erreicht ihren Ruheort, wo sie bis zu einem weiteren Erdendasein bleibt. Das ist das allgemeine Gesetz; was aber die Beziehung von zwei verkörperten Seelen zueinander anbelangt, so ist das eine Frage ihrer persönlichen Evolution, über die nichts Allgemeines ausgesagt werden kann, da es eng mit ihrer Seelengeschichte zusammenhängt und persönliches Wissen erfordert. Mehr kann ich darüber nicht sagen; ich weiß auch nicht, ob es ihr viel helfen wird, da diese Dinge gewöhnlich nur dann hilfreich sind, wenn man in das Bewusstsein eintritt, in dem sie keine bloßen Ideen mehr sind, sondern Wirklichkeiten werden. Dann grämt man sich nicht länger, da man in die Wahrheit eingetreten ist, und die Wahrheit bringt Ruhe und Frieden.

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Meist ist es eine vitale Verbindung, die seelische ist verhältnismäßig selten. Etwas aus den vergangenen Leben bestimmt gewöhnlich die Verbindungen in diesem gegenwärtigen Leben, doch gleichen diese Verbindungen selten denjenigen, die für die vergangenen Leben entscheidend waren.

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Ich kann den Schock verstehen, den du durch den verhängnisvollen Tod deiner Frau erlitten hast. Du bist aber nun ein Suchender und Sadhak der Wahrheit und musst darauf ausgerichtet sein, dich über die normalen Reaktionen des menschlichen Wesens zu erheben und die Dinge in einem größeren Licht zu sehen. Betrachte deine dahingegangene Frau als eine Seele, die in dem Auf und Ab eines Lebens der Unwissenheit Fortschritte machte – wie alle übrigen hier; im Laufe dieser Entwicklung geschehen Dinge, die dem menschlichen Mental als unglückselig erscheinen, und als besonders schmerzlich und bedauerlich wird es empfunden, wenn durch einen plötzlichen, durch Unfall oder Gewaltsamkeit verursachten Tod dieser kurze Zauber der Erderfahrung, den wir Leben nennen, noch verkürzt wird. Doch einer, der über das äußerliche Sehen hinausgelangt ist, weiß, dass alles, was beim Voranschreiten der Seele geschieht, seine Bedeutung, Notwendigkeit und seinen Platz in der Reihe der Erfahrungen hat, die sie schließlich zu dem Wendepunkt führen, an dem sie aus der Unwissenheit ins Licht tritt. Er weiß, dass, was immer durch die Göttliche Vorsehung geschieht, zum Besten ist, auch wenn es dem Mental anders erscheinen mag. Betrachte deine Frau als eine Seele, welche die Schranke zwischen zwei Daseinszuständen durchschritten hat. Stütze die Reise zu ihrem Ruheort durch ruhige Gedanken und rufe die Göttliche Hilfe, damit sie ihr beistehe. Ein zu lange währender Schmerz fördert nicht, sondern verzögert die Reise der abgeschiedenen Seele. Grüble nicht über deinem Verlust, sondern denke allein an ihr spirituelles Wohlergehen.

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Das Geschehene muss nun als etwas Vorherbestimmtes ruhig hingenommen werden und als das Beste für den Fortschritt seiner Seele von Leben zu Leben, obgleich es in menschlichen Augen nicht das Beste zu sein scheint, da diese nur die gegenwärtige und äußere Erscheinung sehen. Für den spirituell Suchenden ist der Tod nur ein Übergang von einer Lebensform zu einer anderen, und niemand ist tot, sondern lediglich fortgegangen. Betrachte es so und überwinde alle Reaktionen von vitalem Schmerz – sie können ihm auf seiner Reise nicht helfen. Folge standhaft dem Weg zum Göttlichen.

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Natürlich ist das eine reale Tatsache – der Tod ist nur ein Abwerfen des Körpers, kein Aufhören des persönlichen Daseins. Ein Mensch ist nicht tot, weil er in ein anderes Land reist und seine Kleider wechselt, um sich dem dortigen Klima anzupassen.

 

1 “Ich stürze sie fortwährend in immer asurischere Geburten”.

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2 Sri Aurobindo gebraucht hier das deutsche Wort “durchhauen”

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